„Menschen, die es ohnehin schon schwer haben, wird noch mehr genommen!“, mit diesem Appel wendet sich Barbara Bühler, Obfrau des NÖ Armutsnetzwerks, einem Netzwerk aus 23 Organisationen aus ganz Niederösterreich (unter anderem die Katholische Aktion), am 27. März an die Öffentlichkeit. Der Gesetzesentwurf zur „Sozialhilfe neu“ wird voraussichtlich im Mai im Nationalrat behandelt, danach obliegt es den Ländern Ausführungsgesetze zu beschließen. Aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wird die „Sozialhilfe neu“.
Eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung ist aus Sicht des NÖ Armutsnetzwerks zwar sinnvoll, wenn diese bundeseinheitliche Regelung dem Anspruch der Vermeidung und Bekämpfung sozialer Notlagen gerecht wird. „Den vorliegenden Gesetzesentwurf betrachten wir jedoch mit großer Sorge“, so Bühler.
Besonders treffen werden die geplanten Änderungen eine Gruppe, die sich in der medialen und politischen Diskussion nicht selbst Gehör verschaffen kann: Kinder. Von allen Menschen, die in NÖ auf Leistungen der Mindestsicherung angewiesen sind, sind mehr als 1/3 Kinder (Februar 2019: 36,9%).
„Armut bedeutet für Kinder oft nicht nur die schwierige finanzielle Situation in der Familie zu erleben, sondern geht oft einher mit zusätzlicher gesellschaftlicher Ausgrenzung, wenn man zum Beispiel nicht an Schulausflügen aus Kostengründen teilnehmen kann“, berichtet Samuel Ziselsberger, Vorsitzender der Katholischen Jungschar der Diözese St. Pölten.
Noch schwieriger wird die Situation für Mehrkindfamilien: Ab dem 3. Kind in einem Haushalt ist im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eine Leistung von 5 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes (€ 44,27; derzeit 23 % für jedes Kind) vorgesehen. Karl Fakler vom NÖ. Armutsnetzwerk hat ausgerechnet, dass dies lediglich 1,44 € pro Tag für dieses dritte Kind sind.
Matthias Stadler in seiner Funktion als Vorsitzender der Landesgruppe Niederösterreich des österreichischen Städtebundes und Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten betont, dass die im Gesetz geforderten Sachleistungen zu mehr Bürokratie führen werden und stellt infrage, ob es denn wirklich sinnvoll sei, das Geld in Bürokratie anstatt in die Gesundheit von Menschen zu investieren, wenn diese krank werden, weil sie sich die Heizkosten nicht mehr leisten können.
Allen Menschen in Österreich die gleichen Chancen zu geben, sollte die Aufgabe des Staates sein. Der Bundesverfassung entsprechend müssten auch das dritte und vierte Kind gleich viel wert sein. Art. 27 der UN-Kinderrechtskonvention besagt hinsichtlich eines angemessenen Lebensstandard von Kindern: „…Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es in prekären Situationen Hilfs- und Unterstützungsprogramme gibt.“ Österreich hat diese Konvention im Jahr 1992 ratifiziert.
Rückfragehinweis: Samuel Ziselsberger, Katholische Jungschar der Diözese St. Pölten