„Österreich ist im Klimanotstand: Klimanotstand im Kopf, weil Fakten nicht erkannt werden, und in der Realität, weil wir viel zu viel CO2 emittierten“, fand Heinz Kopetz bei einem Vortrag im niederösterreichischen Landhaussaal klare Worte. Auf Einladung des Katholischen Akademikerinnen- und Akademikerverbandes waren rund 50 Personen in den Leopoldisaal des Niederösterreichischen Landhauses gekommen, wo ein hochkarätiges Panel zum Thema „Ökosoziale Steuerreform: Unabdingbare Voraussetzung zur Erreichung der Klimaziele“ diskutierte. Neben Heinz Kopetz, dem langjährigen Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer und bis vor kurzem Präsident des Weltbiomasseverbandes, waren auf dem Podium der Präsident der Katholischen Aktion, Leopold Wimmer, Michael Trzka von der WEB Windenergie AG und Österreichs Umweltbischof Alois Schwarz vertreten.
Kopetz, der österreichische Doyen und Pionier einer neuen Klima- und Energiepolitik, umriss in seinem Impuls zu Beginn die Gründe und Auswirkungen des Klimawandels mit einem Rückblick auf die letzten 30 Jahre. Kritisch sah er die Rolle, die der Mensch an dieser Entwicklung hat. „Der Blick auf unser ‚Kohlenstoffbudget’ ist wesentlich in der Erfüllung des Pariser Klimaschutzabkommens“, so Kopetz. Österreich verbrauche hier das Dreifache der erlaubten Menge, die Situation sei alarmierend im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. „Von seiner Vorreiterrolle zu Beginn der 2000er Jahre ist Österreich immer mehr zu einem der Schlusslichter Europas in der Klimapolitik geworden“, führt Kopetz aus. Der Moderator des Abends, der Umweltreferent der Diözese St. Pölten Axel Isenbart, begann die Podiumsdiskussion auch entsprechend alarmierend: "Wir diskutieren heute Abend nicht, ob es den Klimawandel gibt, wir diskutieren, wie wir damit umgehen“.
Antwort: Ökosoziale Steuerreform
Als Antwort auf die Bedrohung des Klimawandels wurde auf dem Podium die Möglichkeit einer Ökosozialen Steuerreform diskutiert. Im Kern bedeutet dies: Mehrbesteuerung fossiler Brennstoffe, niedrigere Lohnnebenkosten, höhere Löhne, und Schaffung von Arbeitsplätzen in neuen Technologien. Ohne Steuerumbau, so war am Podium unisono zu hören, würde es nicht gelingen, die Emissionen zu senken und den nationalen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. „Österreich ist Tiefsteuerland in der Besteuerung der fossilen Energie“, so Kopetz. Dies müsse sich ändern. Hier knüpfte Leopold Wimmer an: „Die Katholische Aktion Österreich hat sich den Blick auf einen ökologischen Umbau, weg vom fossilen Energieverbrauch hin zur Klimawandelreduktion durch die ökosoziale Steuerreform zum Auftrag gemacht", so Wimmer. Hier wäre intensive Informations- und Lobbyarbeit notwendig: die Menschen müssten spüren, dass es teuer ist, was sie da tun.
Kirche und Umweltschutz
Applaus erntete Umweltbischof Schwarz beim Bericht vom aktuellen Beschluss der Bischofskonferenz, der den Ausstieg aus Investitionen in fossile Energien fixiert. „In 5 Jahren dürfen keine kirchlichen Finanzmittel mehr in zerstörerische Technologien fließen“, so Schwarz. Neben seinen im Aufbau befindlichen Bemühungen in der Diözese St. Pölten hinsichtlich Ökologisierung verwies er auch auf die Tätigkeit seiner Amtszeit in Gurk-Klagenfurt: So waren Wirtschaftsbetriebe des Bistums Gurk auch ein investitionsstarker Windpark und ein Wasserkraftwerk. Ebenso war das Bildungshaus St. Georgen nach vielen Investitionen ein klimaneutraler Betrieb, der auf Regionaliät und Nachhaltigkeit setzte. „Solche Investitionen sind nicht finanzneutral, aber zukunftsfähig“, so Schwarz. „Meine Nachfolger werden Erfolg und Prestige dieser Pionierarbeit ernten", und verwies auf die Positivbilanz in der Stromerzeugung: „Wer in Österreich Hirterbier trinkt, trinkt ein Bier, dass mit Ökostrom des Bistums Gurk gebraut wurde“. Er betonte auch, dass kirchlicher Umweltschutz „noch radikaler, noch entschiedener“ geschehen müsse. Auch, dass kirchlicher Umweltschutz immer sozial sein müsse: "Wir können nicht gegen prekäre Beschäftigung und Mindestlohn aufstehen - und ihn in unseren Betrieben selbst zahlen, oder Mitarbeiter saisonal in die Arbeitslosigkeit schicken". Auch müsse der Leidenschaft für die Umwelt "eine Beseelung zuvorgehen“, so Schwarz, denn „die Sorge um die Schöpfung ist auch eine Frage von Spiritualität. Im kirchlichen Bereich ist die Form der ökologischen Spiritualität, von der auch Papst Franziskus spricht, noch nicht angekommen“, schloss Schwarz.
Zivilgesellschaft am Zug
In der Diskussion mit dem Publikum wurden auch aktuelle Entwicklungen wie die Forderungen der Klimaaktivistin Greta Thunberg und die französischen Gelbwestenproteste thematisiert. „Greta Thunberg spricht ein Thema an, das uns alle betrift. Die aktuellen Schülerproteste setzen am Faktum an, dass die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht erreicht werden können“, so Kopetz. Seine Antwort: Es könne keine freiwillige Verpflichtung geben. Es müsse „nicht nur die Mutwilligen, sondern Alle treffen“. Wimmer bekräftige dies, die Schülerstreike belebten derzeit die politische Debatte in diese Richtung. Im Hinblick auf die Gelbwestenproteste in Frankreich betonte Wimmer, die vorgeschlagene ökosoziale Steuerreform würde den konkreten Blick auch auf die soziale Komponente einer unumgänglichen Verteuerung lenken: "Bei Haushalten wäre durch unser vorgeschlagenes Steuerreformmodell sogar eine Kostensenkung in Summe möglich“. Einkommensschwache Haushalte würden gefördert, Energieeinsparung wäre merkbar, umweltfreundliche Investitionen würden gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden.
„Angewiesen zu sein auf Kohle und Gas ist ein Mythos“ so Michael Trzka. Er sprach auch davon „mit Realitäten umzugehen“ und betonte „Erneuerbare Energien sind in der Realität angekommen“. Österreichische Technologien und internationale Bemühungen wären weit fortgeschritten, die Müdigkeit in der Umsetzung sei reiner Informationsmangel. Kopetz fand auch hier klare Worte: „Die Fakten sprechen eine klare Sprache, doch die Dringlichkeit ist uns nicht bewusst.“ Eine starke Ziviligesellschaft müsse nun den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2040 durchsetze. Die Rolle der Zivilgesellschaft wird in den Forderungen nach einem nachhaltigen Weg vital sein. Die Dringlichkeit steige, weil "Kipppunkte" übersehen würden, so Kopetz.
Lösungen
Die Frage nach zukünftiger Energieerzeugung, Energienutzung und konkreten Handlungsmöglichkeiten einzelner Menschen stand am Schluss der Veranstaltung. „Ein Communitydenken wäre hilfreich“, so Trzka, damit manche Klimasünde einfach nicht mehr Anerkennung fände. E-Mobilität wurde als zukunftsweisend erachtet, auch die Temporeduktion in der Automobilität. Auch betont wurde, dass die Rohstofferzeugung in der E-Industrie nachhaltiger werden müsse, damit nicht wiederum Umweltverschmutzung stattfände, und neue Technologien sozial nachhaltig genutzt werden können. Gerade im ländlichen Raum brauche es mehr öffentlichen Verkehr, hier müsse weiter an die Politik appelliert werden. „Fossile Energie heute ist wie Rauchen in den 80er Jahren: Jeder tat es und keiner dachte nach. Mittlerweile weiß man, dass es ungesund und schädlich ist. Diesen Sinneswandel muss es bei den fossilen Brennstoffen auch geben“, schloss Kopetz die Diskussion.
Katharina Brandtner dsp